Ausschuss lehnt Schulcampus in Wildau ab
Der Bildungsausschuss des Kreistages hat den Grundsatzbeschluss zum Aufbau eines Schulcampus in Wildau abgelehnt. Das Thema taugt zur Grundsatzdebatte über den Zusammenhalt im Landkreis - und über Bildungspolitik zwischen Elternwille und Schülerleistungen.
Von Andreas Staindl
Eine Entscheidung ist das noch nicht, die trifft der Kreistag. Das Votum der Mitglieder des Bildungsausschusses am Montag war mit zwei Ja-Stimmen, einer Enthaltung und sieben Nein-Stimmen deutlich. Vorausgegangen war eine intensive Diskussion für und gegen das Vorhaben. Das sieht vor, die Ludwig-Witthöft-Oberschule um zwei Züge auf insgesamt sechs Züge zu erweitern sowie ein Gebäude für ein neues drei- bis vierzügiges Gymnasium zu errichten. Der Landkreis will damit auf das erhebliche Bevölkerungswachstum im Norden des Kreises und damit auf einen weiter steigenden Bedarf vor allem an Plätzen in weiterführenden Schulen reagieren. Wo der Campus errichtet werden könnte, ließ der Kreis von einem Planungsbüro erarbeiten. Mehrere potentielle Standorte wurden beurteilt.
„Wir sollten die Finanzierungsmöglichkeiten nutzen und das Vorhaben angehen. Schließlich reden wir seit vier Jahren über fehlende Schulplätze.“
Björn Langer, Bürgermeister Heidesee
Die Machbarkeitsstudie zeigt Wildau als bestmögliche Variante auf. Begründet wird das vor allen mit der hervorragenden Anbindung und zentralen Lage im Norden des Landkreises. Wildaus Bürgermeister Frank Nerlich wirbt für das Vorhaben: „Wildau ist bereit für das Projekt. Auch die Finanzierung sollte klappen.“ Vorgesehen ist laut Landkreis, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft mbH (Wiwo) das neue Gebäude errichtet und sich der Kreis mit einem neuen Gymnasium dort einmietet. Damit wären die für den Neubau eines Schulgebäudes vorgesehenen Mittel in Höhe von 48,1 Millionen Euro nicht erforderlich. Björn Langner, Bürgermeister der Gemeinde Heidesee, wo gerade eine neue Oberschule eröffnet wurde, spricht sich ebenfalls für das Projekt aus: „Wir sollten die Finanzierungsmöglichkeiten nutzen und das Vorhaben angehen. Schließlich reden wir seit vier Jahren über fehlende Schulplätze. Das jetzige Angebot kann jedoch nur der erste Schritt sein. Als zweiter Schritt müsste eine weiterführende Schule in den Bereichen Schulzendorf, Eichwalde, Zeuthen errichtet werden.“ Kommunen im Norden hatten schon seit längerem Schulzendorf als Standort für ein Schulzentrum ins Spiel gebracht.
Claudia Mollenschott (Die Linke) zweifelt die Machbarkeitsstudie an. Für sie sind die anderen Standorte nicht seriös betrachtet worden: „Aktuelle Schülerzahlen wurden nicht berücksichtigt. Zudem kann ich Gründe, die zur Ablehnung anderer Standorte geführt haben, nicht nachvollziehen.“ Das Mitglied im Bildungsausschuss hat sich nach eigener Aussage intensiv mit der Studie auseinandergesetzt: „Für mich sind auch andere Standorte geeignet.“ Claudia Mollenschott kritisiert zudem, dass „der Landkreis bauen lassen würde, um sich dann einzumieten. Wir waren uns doch einig, dass der Kreis für weiterführende Schulen zuständig ist. Ich habe den Eindruck, der Norden unseres Landkreises bricht gerade auseinander.“
„Wir reden seit mehreren Jahren über fehlende Oberschulplätze, und der Kreis bringt jetzt ein neues Gymnasium ins Spiel. Ich falle vom Glauben ab.“
Michaela Wiezorek, Bürgermeisterin in Königs Wusterhausen
Auch Michaela Wiezorek, Bürgermeisterin in Königs Wusterhausen, ist vom Ergebnis der Machbarkeitsstudie überrascht: „Wir reden seit mehreren Jahren über fehlende Oberschulplätze, und der Kreis bringt jetzt ein neues Gymnasium ins Spiel. Ich falle vom Glauben ab.“ Sie kritisiert außerdem, dass „wir Bürgermeister an der Erarbeitung der Studie nicht beteiligt wurden“. Und sie sagt: „Bürgermeister im Süden des Kreises stehen hinter uns.“ Christian Hentschel, Bürgermeister in Schönefeld, lehnt die Idee eines Schulcampus in Wildau ebenfalls ab: „Ich werbe dafür, den Grundsatzbeschluss nicht zu fassen.“ Für ihn hat die Studie „inhaltliche und handwerkliche Fehler“. Der Bürgermeister hält den Standort Schulzendorf für geeigneter, weil „er für alle Kommunen zentraler liegt. Die Entscheidung für Wildau ist für mich eine Ohrfeige.“ Er sagt aber auch: „Sollte das Projekt in Wildau doch umgesetzt werden, wäre das für mich nur ein erster Stepp. Der zweite Schritt müsste Richtung Schulzendorf folgen.“
Annette Lehmann, die für die Fraktion UBL, Freie Wähler, FWKW im Ausschuss sitzt, brachte die Idee ins Spiel, die Beschlussvorlage so zu ändern, dass die Oberschule in Wildau zwar um zwei Züge erweitert, jedoch kein Gymnasium am Standort eingerichtet wird. Einen entsprechenden Antrag wollte sie dann allerdings doch nicht stellen vor der Abstimmung der Ausschussmitglieder. Dass der Landkreis überhaupt über ein neues Gymnasium nachdenkt, überrascht betroffene und beteiligte Akteure. „Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe führen auch zum Abitur“, sagt Michaele Wiezorek. „Eine solche Schule könnte in Wildau errichtet werde. Das Abitur dort wäre kein Abschluss zweiter Wahl.“
„Wenn immer mehr junge Leute in ein Gymnasium wechseln, fehlen den Oberschulen die Zugpferde. Die Folge ist, dass in beiden Schulformen das Niveau sinkt.“
Werner Weiss, sachkundiger Einwohner
Der sachkundige Einwohner und ehemalige Kreisschulrat Werner Weiss (CDU, FDP, Bauer) steht dem geplanten Bau eines weiteren Gymnasiums im Landkreis Dahme-Spreewald kritisch gegenüber. Für ihn hat der Kreis schon jetzt zu viele Gymnasien. Er sieht den tatsächlichen Bedarf nicht, sagt: “Nicht jeder ist für ein Gymnasium geeignet. Derzeit wechseln 48 Prozent aller Grundschüler unseres Landkreises in ein Gymnasium - Tendenz steigend. Das sind einfach zu viele. Es gibt nicht so viele studierfähige junge Leute. Ich finde es unfair, sie in etwas hineinlaufen zu lassen, dass sie nicht erfüllen können.“ Die hohe Zahl an Gymnasiasten führt seiner Ansicht nach „zu einem eklatanten Mangel an jungen Menschen, die einen Beruf erlernen“. Werner Weiss warnt: „Je mehr Gymnasialplätze wir schaffen, umso wird die Leistung aller Schülerinnen und Schüler von Gymnasien sinken.“ Und noch etwas gibt er zu bedenken: „Wenn immer mehr junge Leute in ein Gymnasium wechseln, fehlen den Oberschulen die Zugpferde. Die Folge ist, dass in beiden Schulformen das Niveau sinkt.“
Die sachkundige Einwohnerin Frauke Glowatzki (CDU, FDP, Bauer) schlägt in die gleiche Kerbe: „Wenn - wie angenommen - künftig bis zu 70 Prozent aller Schülerinnen und Schüler ein Gymnasium besuchen, sind das einfach viel zu viele. Wir brauchen mit Blick auf die Wirtschaft mehr Oberschüler. Und dass für diese Plätze fehlen, geht aus unserem Schulentwicklungskonzept des Kreises hervor.“ Wenn der Landkreis auf noch mehr Gymnasien setzt, „würden Oberschulen weiter an die Attraktivität verlieren“, sagt Lars Teichmann, sachkundiger Einwohner für die SPD im Bildungsausschuss. „Wir brauchen aber auch Handwerker und andere bodenständige Berufe. Dafür haben wir jedoch zu wenige Gesamt- und Oberschulen.“ Er gibt zu bedenken: „Mit einem weiteren Gymnasium würden noch mehr Eltern auf einen Platz in einer solchen Bildungseinrichtung pochen. Das Ergebnis wären noch mehr frustrierte und überforderte Kinder.“
„Das staatliche Schulamt hat uns aufgefordert, unsere Plätze an Gymnasien zu erweitern.“
Nadine Starke. Die Amtsleiterin des Amts für Schulverwaltung
Der Ausschussvorsitzende Georg Hanke (SPD) verweist auf das Wahlrecht der Eltern, wenn deren Kind in der Grundschule die Eignung für ein Gymnasium erlangt hat: „Sie erwarten dann mit Recht einen Platz in einem Gymnasium.“ Der Landkreis verweist auf die Fortschreibung der Schulentwicklungsplanung für den Zeitraum 2022/2023 bis 2026/2027 in der ersichtlich ist, dass in den kommenden Schuljahren vor allem im Norden des Kreises mit einem steigenden Bedarf an Oberschulplätzen, aber auch an Plätzen in Gymnasien zu rechnen ist. Die aktuellen Einwohnermeldeamtszahlen würden diesen Trend bestätigen. Zudem werde ein erhebliches Bevölkerungswachstum im Norden des Kreises erwartet.
Die Machbarkeitsstudie bestätige diese Prognosen. Der Landkreis geht ab dem Jahr 2028 von einem Fehlbedarf von sechs Zügen im Bereich der Ober- und Gymnasialschulplätzen aus. „Das staatliche Schulamt hat uns aufgefordert, unsere Plätze an Gymnasien zu erweitern“, sagt Nadine Starke. Die Amtsleiterin des Amts für Schulverwaltung des Landkreises Dahme-Spreewald verweist zudem darauf, dass „unser Kreis eines der dichtesten Netze mit Oberschulen im gesamten Land Brandenburg hat“.
Nadine Starke drängt auf eine schnelle Entscheidung für den Schulcampus in Wildau, oder eben an einem anderen Standort: „Wir haben nicht mehr viel Zeit. Planung und Errichtung dauern dann auch noch.“ Der Landkreis würde mit dem Grundsatzbeschluss gerne der Stadt Wildau Planungssicherheit gegeben, um konkret planen zu können. Spätestens 2024 müsste laut Kreis mit den konkreten Planungen begonnen werden, um eine bedarfsgerechte Fertigstellung der Oberschulerweiterung und des Neubaus eines Gymnasiums abzusichern. Nur so sei die benötigte Anzahl an Schulplätzen ab dem Schuljahr 2027/2028 abzudecken.
Bürgermeister Frank Nerlich wirft noch einen weiteren Aspekt in den Ring: „Wir diskutieren gerade den Titel ´Hochschulstadt Wildau´. Dafür brauchen wir die Erweiterung unserer Oberschule sowie ein Gymnasium. Mein Vorschlag: „Wir beginnen mit der Oberschule und bauen anschließend das Gebäude für das Gymnasium.“ Auf eines von beiden verzichten, möchte Frank Nerlich nicht: „Wir wollen das Projekt im Gesamtpaket.“ Vom Bildungsausschuss gab es dafür kein grünes Licht. Entscheidungsgremium allerdings ist der Kreistag. Und der hat das Thema am 27. September auf der Tagesordnung. Zuvor diskutieren der Finanzausschuss am 14. September und der Kreisausschuss am 20. September noch darüber.